Schau zeigt Bilder über das Weg- und Hinschauen
In Plauen wurde die Ausstellung „Einige waren Nachbarn: Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand“ eröffnet. Der US-Generalkonsul stellte dabei wichtige Fragen.
VON PETER ALBRECHT
PLAUEN - So viele Besucher habe sie in dem vor drei Jahren am Dittrichplatz eröffneten Colorido-Treff noch nicht gesehen. Doritta Kolb-Unglaub vom Vorstand des Colorido-Vereins konnte sich am Freitagabend aber gleich doppelt freuen. Denn so viele hochrangige Gäste hatten sie auch noch nicht in ihren Räumen. Dazu gehörten der US-Generalkonsul Kenichiro Toko, die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Yvonne Magwas (CDU) und der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Kassem Taher Saleh.
Anlass war die Eröffnung der Wanderausstellung des Holocaust-Gedenkmuseums der Vereinigten Staaten mit dem Titel „Einige waren Nachbarn: Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand“. Die Schau zeigt unter anderem Fotografien aus dem Dritten Reich, auf denen etwa Anwohner zusehen, wie Sinti und Roma von der Polizei für die Deportation nach Polen zum Bahnhof eskortiert werden. Schaulustige sehen der Verladung von Jüdinnen und Juden auf Lastwagen zu. In einer anderen Stadt haben Bürger an einer Versteigerung von Waren zuvor deportierter Juden teilgenommen. Zahlreiche weiterer solcher Beispiele sind dokumentiert.
Aber das Gedenken an diese Zeit alleine reiche nicht aus, machte der US-Generalkonsul in seiner Ansprache deutlich. Es gelte, wichtige Fragen zu stellen: „Welchen Anteil spielte das Verhalten ganz normaler Menschen am Holocaust? Warum sahen so viele weg?“, zählte Kenichiro Toko einige der Fragen auf.
Wie es sich in Plauen lebt, wenn man aus einem anderen Land kommt, darüber konnte der Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh berichten. Der gebürtige Iraker verbrachte seine Kindheit und Jugend im Vogtland und studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Dresden. Er ist Schirmherr der Internationalen Wochen gegen Rassismus, die bis zum 14. April in Plauen dauern.
Er sagte: „Nicht nur die NS-Vergangenheit dieser Stadt gebietet es, die Erinnerung an den Holocaust wach und sichtbar zu halten. Wir dürfen niemals vergessen, welche grausamen Behandlungen den Zwangsarbeitern hier in den Außenlagern angetan wurden – zum Großteil durch ganz normale Plauener Bürgerinnen und Bürger.“
Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas betonte die Bedeutung der Ausstellung für die Stadt und für den Colorido-Verein. „Dieses Museum hat ein weltweites herausragendes Renommee. Was ihr hier auf die Beine gestellt habt, da könnt ihr stolz drauf sein.“
Einen Anteil an dieser Schau hat die Rückertschule, von der fünf Schülerinnen und Schüler an einem Workshop über die Exposition teilgenommen und den Gästen die einzelnen Tafeln erläutert haben. Man habe Kinder aus der Ukraine, russische Kinder, solche aus Syrien, Tschechien, Polen und anderen Ländern, so Schulchefin Silke Schwerdt.
Auch Geschichtsforscherin Waltraud Schmidt meldete sich zu Wort. . „Rassismus und Antijudaismus haben nicht nur in der deutschen Geschichte allgemein, sondern auch im Vogtland sehr tiefe Wurzeln“, blickte sie zurück. Sie informierte über einen Pogrom in Plauen 1914. Damals wurden russische Juden beschuldigt, Spione zu sein. Auch auf den späteren Gauleiter Martin Mutschmann und den von ihm beauftragten Mord am jüdischen Geschäftsmann Julius Brandeis von der Scholtzestraße ging die Vogtländerin ein.
Die Ausstellung im Colorido-Treff in Plauen, Dittrichplatz 8, ist dienstags und freitags von 16 bis 18 Uhr geöffnet.
Bildtext: Waltraud Schmidt (rechts) referierte auf der Ausstellung vor Schülerinnen und Schülern der Friedrich-Rückert-Oberschule.FOTO: ELLEN LIEBNER
Quelle: FP 06.03.2023